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(#) im zuge des umzugs stoße ich auf meine alte volksschulwerkmappe. beim durchblättern stolpere ich über einige blätter, die der augenscheinlich dem werkunterricht angeschlossenen sexualkunde-einheit zuzuordnen sind. ich habe seither nie mehr daran gedacht, aber jetzt erinnere mich als wäre es gestern gewesen: die stunde beginnt damit, dass wir mit einem test unsere sexuelle identität und orientierung feststellen. der test besteht eigentlich nur darin, ein paar multiple-choice-fragen zu einem offen gesagt recht häßlichen blumenstrauß anzukreuzen. die auflösung ergibt naturgemäß und mit erschlagender eindeutigkeit, dass ich ein lesbisches mädchen bin. die klasse wird im weiteren verlauf in buben und in mädchen geteilt und in diesen gruppen werden uns die weiteren details erklärt, wir mädchen finden uns natürlich im raum für textiles werken neben der direktion ein. einerseits bin ich zwar irgendwie erleichtert und unaufgeregt, denn ich kann ja nichts dafür, es war doch nur der test, der nur objektiv festgestellt hat, was eben sache ist, aber andererseits bin ich mit der situation doch irgendwie überfordert. ich merke schon, dass die anderen mädchen, allen voran n., sich mir gegenüber merkwürdig verhalten und darum erkläre ich ihnen, dass sie doch keine angst haben müssten, nur weil ich lesbisch sei, würde ich jetzt nicht gleich über sie herfallen. in all dem wundere ich mich sehr über mein doch ziemlich souveränes verhalten und frage mich, wie ich dazu komme, hier jetzt irgendwie souverän sein zu müssen, denn immerhin habe ich selbst gerade erst erfahren, dass ich ein 10jähriges lesbisches mädchen bin. dann verstehe ich, dass n. eigentlich selbst gern lesbisch gewesen wäre, um etwas besonderes zu sein, aber das ist sie laut test nun einmal nicht, was will man machen. mit unterdrückter schadenfreude höre ich zu, wie uns die entsprechenden vorgänge beschrieben werden, dann ist die stunde aus, und ich lese die zusätzlichen hinweise bei der auswertung des tests: natürlich sei ein solcher test nicht zu 100% zuverlässig, fehler könnten sich immer einschleichen, besonders den homosexuellen kindern sei also geraten, es dann - natürlich sehr viel später erst wenn die zeit dafür gekommen sei - zuerst einmal mit nicht gleichgeschlechtlichen partner/innen zu probieren, denn vielleicht sei das ja auch nur so eine phase und ginge damit wieder vorbei. ich bin eigentlich mehr amüsiert als wütend und auch nicht besonders überrascht, denn immerhin ist dies das österreichische schulsystem der frühen 1990er und wundere mich weiter sehr darüber, wie wenig mich das verletzt, es darf ja nicht vergessen werden, dass ich immer noch ein gerade erst 10jähriges mädchen bin. als zusätzlichen hinweis für die eltern wird noch ein rezepttipp angeführt: mit einem kuchen mit einer dreifachen teigschicht und viel erbsen kann eine solche phase häufig auch noch abgewendet werden (es ist den formulierungen deutlich anzumerken, dass sie im bewusstsein geschrieben wurden, dass homosexualität nicht mehr offen als krankheit bezeichnet werden darf, die formulierenden sie aber sehr wohl dafür halten). meine verwunderung über mein darüberstehen wächst. im anschluss steht noch eine art wandertag zum schulschluss bevor. mit diesen blöden blumensträußen, an denen alle alles natürlich auf den ersten blick erkennen, marschieren wir durch die straßen. ein bisschen unangenehm ist mir das alles jetzt zwar schon, aber einerseits freue ich mich ein bisschen darauf, meinen eltern diese lächerlichen hinweise zu zeigen und andererseits ist mir jetzt soundso alles egal, jetzt, wo es der test ans licht gebracht hat (aufgew.)
mauszfabrick - 26.06.13 - im ersten licht
(und eignet sich hervorragend für die radieschenprizessin. vielleicht als rückblende, wo einer der väter im kindesalter deinen traum erlebt?)