jurijmlotman (Gast) - 20. Dez, 15:03

ist das wahr, dass die neue platte die beste und also die von mir zu archivierende ist? oder nicht doch besser die erste? ich habe sie sonst immer nur mal beiläufig im radio gehört.

assotsiationsklimbim - 27. Dez, 13:29

wie es der herr creekpeople mal so ähnlich ausgedrückt hat: mich sowas zu fragen, ist so, wie einen priester zu fragen, ob er eher das alte oder eher das neue testament besser findet. es geht bei der ersten und bei der aktuellen platte geht halt um ganz verschiedene entwürfe und ansprüche, das kann man nicht wirklich vergleichen. die aktuelle ist halt eher anschließbar an ein feuilleton-pop-universum a la bruckmayr, aber trotzdem von heute aus gesehen vielleicht das beste album, das sie je gemacht haben. von 1995 aus gesehen ist aber natürlich das erste das beste, auch wenn das heute merkwürdig alt klingt (und noch nicht verretrobar außerdem). archivieren in jedem fall beide. es ist aber schwierig, ich denk da noch drüber nach.
jurijmlotman - 2. Jan, 14:00

ganz ernsthafte nachfragen, die ich mir immer selber gestellt hatte: inwiefern ist tocotronic erfinder des deutschen studentischen-redestrom-pseudopop? inwiefern sind sie besser als die normalvertreter desselben, der mir regelmäßig auf eine unoffensive weise auf die nerven geht? inwiefern genügt es nicht, die lustig-intelligenten liedtitel auf den covers zu lesen und zu sagen: lustig-intelligente idee, lieder so zu nennen und sie dann wirklich auch aufzunehmen und aufzuführen?
assotsiationsklimbim - 2. Jan, 15:53

erfinder: ganz sicher nicht, da müßte man weiter zurückgehen (streng genommen natürlich bis zu den ersten ernste deutschsprachigen pop-versuchen überhaupt, sprich die verkopftere postpunk/new-wave-schiene um palais schaumburg oder so wie von teipel geschildert, aber da kann/muss ich dir ja nichts erzählen): also die älteren bad salzuflener/hamburger bands wie huah!, kolossale jugend, bernd begemann oder blumfeld (fast weltweit-schule sozusagen). da haben die (jüngeren) tocotronic diese im insider-zirkel schon erprobten sprachbenützungsweisen nur aufgenommen und (und das ist freilich ihr verdienst) für den mainstream bekannt und nützbar gemacht (natürlich mit den üblichen kleinen änderungen und übersetzungseffekten). das gilt dann bis ca. zum fünften album (kook, das war, glaube 1999 oder so, müßte man googlen), als diese textstrategie dann eben für den mainstream bereits hinreichend zugänglich und damit ausgereizt-langweilig und tot war, ab da haben sie dann wieder einen anderen textlichen/konzeptuellen entwurf verfolgt (das meinte ich auch oben mit "kann man nicht vergleichen"). tocotronic kann man also schon vorwerfen, schuld an den nervigen normalvertretern (richtwert: ghvc) zu sein, aber sie sind nicht damit zu verwechseln, weil sie eben seit mittlerweile auch schon wieder 4 alben selber was ganz anderes machen (wenn das auch oft damit verwechselt wird).

lustig-intelligente liedtitel reichen: kann man bei konzeptueller kunst natürlich immer sagen, dass die idee gereicht hätte und man es nicht auch noch tun hätte müssen. verteidigende antwort: tocotronic haben das 1995 getan, weil sie es a.) konnten und b.) es niemand sonst gemacht hat. das war damals noch ok, eben weil es niemand sonst (so) getan hat und nicht jede/r es damals schon so hätte machen können (behaupte ich jetzt mal so, war ja nicht dabei). da es heute jede/r tun kann, machen sie jetzt ja auch fantasy-prog-rock. wenn man die alten sachen heute noch anhört, dann halt aus a.) archäologischem oder b.) biographisch-sozialisatorischem interesse.
jurijmlotman (Gast) - 7. Jan, 11:49

interessante frage, was den ursprung des redestrom-pop angeht. ich würde ja nicht sagen, palais schaumburg, weil das war ja sehr surrealistisch, montage von textfetzen. (ich mochte den linkischen gymnasisasten-funk dabei, also eher die musik.) sicher aber begemann, wobei ich ihn nur aus der ersten zeit mit Die Antwort kenne, da habe ich ihn mal live gesehen mit TV Personalities, das war ein wenig so wie "deutsche Jam". die hatten später einen sehr hübschen deutsch-pop-song: "Unten am Fluss", der aber gar nicht redestromig war. vermutlich also eher der spätere solo-begemann. und dann wohl blumfeld. ich selbst wäre ja auch ein kandidat für so etwas gewesen, aber wir hatten eher die idee, pop-schablonen zu benutzen, vielleicht ein bisschen wie Family 5. für mich klingt der sound des redestrom-pop immer irgendwie wie der sehr sympathische Postcard-Pop (Orange Juice, Josef K., Jazzateers, weniger Aztec Camera in dem punkt), aber da war das ästhetische konzept doch irgendwie reizvoller (für mich). vor allem eigentlich, wenn ich mirs überlege, der charakter der stimmen: die hatten alle britische pop-stimmen, irgendwie exaltiert, nicht-natürlich. archäologisch finde ich das natürlich alles hochinteressant.
assotsiationsklimbim - 7. Jan, 20:06

ok, palais schaumburg (stimme zu: musik wichtiger als text) war unglücklich gewählt, mir ist nur adhoc nichts besseres eingefallen, ich hab sie auch nur als platzhalter für "älteste ernst gemeinte und ernst zu nehmende versuche deutscher popsprachverwendung" gebrauchen wollen. wer das nun war (fehlfarben?), weiß ich nicht, gnade der späten geburt. begemann als deutsche jam finde ich einen guten vergleich und würde ihm selbst auch sicher gefallen. "unten am fluss" hat er immer noch im programm. der hat jetzt übrigens wieder eine band aus ziemlich jenseitigen handwerks-brotmusikern zusammengestellt, auf platte furchtbar, live ein genuss: am besten ist der keyboarder, langhaarig (langhaarig in dem sinn, dass die nie kurz waren, auch wenn er so alt gar nicht ist), allgemein so typ jazzrocker, wird von begemann dann immer veralbert, was er mit seinem muckertum immer irgendwie charmant kontert. naja. blumfeld soundso, nur dass die eben deutlich später waren. die unterscheidung popschablonen vs. redestrom-pop nicht ganz klar: das ist ja auch immer betont nicht-natürlich, hört man nur nicht gleich, weil's eben deutsch ist (als österreicher vielleicht eher noch).
jurijmlotman (Gast) - 8. Jan, 12:44

ja, fehlfarben waren wohl die ersten und beinah einzigen vertreter des sinnvollen deutschen spracheinsatzes. aber nie redestrom. die brillante hein-phase zu unterscheiden von der auch nicht schlechten schwebel-pop-phase ("glut & asche"). sonst ... "geisterfahrer" ("himmel auf erden") mochte ich, da habe ich platten. <a href="http://www.google.de/search?q=%22geisterfahrer%22+%22himmel+auf+erden%22&ie=utf-8&oe=utf-8&aq=t&rls=org.mozilla:de:official&client=firefox-a"#."abwärts" konnte ich nichts mit anfangen. DAF waren außer konkurrenz. es gab fast nichts deutsches, das ich irgendwie diskutabel fand, das weiß ich noch. damals habe ich mir auch die erste toten hosen-platte gekauft, weil sie deutsch war _und_ irgendwie funktionierte, obwohl die texte natürlich nicht wirklich gut waren/sind.

popschablonen: relativ kurze zeilen, eher schlagzeilenartig, die sich reimen. typisches schema a/b/a/b/bridge/a/b/b/ . theatralisch, ohne das durchaus nicht unsympathische understatement des nebenher hingesprochenen&gesungenen. nicht auf "lebenswirklichkeit" abhebend, kaum tagebuchcharakter. das war aber eben auch sehr schwierig auf deutsch - mir waren meine/unsere texte immer zugleich peinlich (bei der anderen band namens "gesten aus glas" schrieb meistens ein anderer, das war dann eher gedichthaft, überhaupt war das erste produkt ein selbsthektografiertes "gedichtheft").

was jetzt auffällt: es geht jedenfalls viel leichter, deutsch zu singen. es klingt viel selbstverständlicher. lieder, bei denen jede zeile ins herz trifft, sind mir trotzdem keine bewusst, außer der ersten fehlfarben natürlich, aber ich kenne natürlich auch fast nichts.

(eine sehr seltsame radio-erfahrung hatte ich diesbezüglich mal mit der jonas goldberg gruppe (oder so ähnlich), die einerseits peinlich und nicht besonders gut waren und andererseits eben doch eine pop-größe hatten, die mir genaus deshalb auffiel, weil sie sonst immer fehlt. ich habe dann mal ein zweites lied gehört, aber das war dasselbe, nur schlechter.)
jurijmlotman (Gast) - 8. Jan, 12:47

nachtrag: Family 5 natürlich, da habe ich fast alles, weil ich das konzept richtig und viele texte gut fand, obwohl sie musikalisch nie richtig funktioniert haben. immer irgendwie zu flach und zu schnell. in der theorie gut, in der praxis nicht so.
assotsiationsklimbim - 8. Jan, 12:59

zum langen comment: wird bei zeiten rück-kommentiert, muss erst so genannte arbeit erledigen.

zum nachtrag: ohne family-5-firm zu sein glaube ich das mal einfach. wäre eine schöne nerddiskussionsunterdisziplin: bands finden, die in der theorie gut und in der praxis schlecht sind. ich biete mal fsk (fast zu offensichtlich), attwenger und radiohead (die neuen, wobei stimmt nicht, halb umgekehrt: in der theorie tot und praktisch halbtot).
assotsiationsklimbim - 11. Jan, 15:01

daf: außer konkurrenz gut oder schlecht?

geisterfahrer: peinlicherweise nie gehört

tote hosen: wegen später rückwirkend immer schon diskussionsunwürdig (das rolling-stones-phänomen)

jonas goldberg: ebenfalls nie gehört

"es geht jedenfalls viel leichter, deutsch zu singen": hängt wohl irgendwie damit zusammen, dass für die zweite generation von deutsch-als-pop-sprachbenützungen das uneigentliche daran schon selbstverständlich war. das, was du als (für mich aus gründen, die mir nicht ganz klar sind, sich irgendwie nicht ganz treffend anfühlend) redestrom-pop bezeichnest, war ja auch nur eine reaktion auf eben die ersten deutschen pop-versuche, insofern auch nicht "tagebuch", "lebenswirklichkeit abbilden wollend", "unmittelbar sein wollend" etc., das ist ja nur später so missverstanden worden. überhaupt eine beobachtung, die mir gerade überall auffällt: man muss (und musste in den neunzigern schon nicht mehr) gar nicht mehr so 80er-mäßig das gemachtsein betonen, weil das eh klar ist (trotzdem wirds von denen, die eh nicht gemeint waren, gern missverstanden, was auch ok ist).

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